Selbstabdunkelnde Fensterscheiben in großer Farbvielfalt

Elektrochrome Gläser dunkeln automatisch ab, wenn die Sonne vom Himmel brennt, und halten die Wärme draußen. Bislang gibt es sie jedoch nur in der Farbe Blau, auch die Schaltzeiten sind lang. Mit einem neuen Verfahren lassen sich erstmalig auch andersfarbige Scheiben herstellen. Zudem schalten sie etwa zehnmal schneller als bisherige Modelle.

• Intelligente Scheiben dunkeln sich über eine angelegte Spannung ab oder hellen sich auf.
• Bislang gibt es die Fenster in Blau und nur mit längeren Schaltzeiten.
• Ein neues Verfahren ermöglicht schnellere elektrochrome Glasscheiben in unterschiedlichen Farben.

Wenn sich die Dunkelheit bereits nachmittags übers Land senkt, ist man im Winter froh
über jeden Sonnenstrahl. An heißen Sommertagen dagegen könnte man auf den
Wärmeeintrag verzichten, den die Sonne ins Büro bringt. Elektrochrome Scheiben
schaffen Abhilfe: Ist es draußen eher dunkel, sind sie transparent und lassen Licht und
Wärme durch. Knallt dagegen die Sonne vom Himmel, können die Fenster abgedunkelt
werden, so dass ein Großteil der Hitze draußen bleibt. Diese Scheiben schimmern in
schönem Blau. In anderen Farben sind sie bislang nicht erhältlich.

Schnelle Schaltzeiten
Forscher des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Polymerforschung IAP in Potsdam- Golm haben eine neue Herstellungsmethode für solche elektrochromen Glasscheiben entwickelt – gemeinsam mit der TILSE FORMGLAS GmbH. Gefördert wird das Projekt vom Bundesministerium für Wirtschaft BMWi. »Wir können zum einen Glasscheiben mit einer großen Farbvielfalt herstellen, zum anderen erreichen wir deutlich schnellere Schaltzeiten als bei bisherigen Modellen«, sagt Dr. Volker Eberhardt, Wissenschaftler am IAP.

Das Prinzip der elektrochromen Scheiben: Üblicherweise verwenden Hersteller Glas, das mit lichtdurchlässigen Indium-Zinn-Oxid oder dem kostengünstigeren Fluor-Zinn-Oxid beschichtet ist. Durch diese Beschichtung wird das Glas elektrisch leitfähig. Für eine intelligente Fensterscheibe sind zwei solcher Glasscheiben erforderlich. Auf eine der beiden wird noch eine weitere Schicht aufgedampft, das elektrochrome Wolframoxid. Die Gläser werden mit den beschichteten Seiten aufeinander gelegt, ein gelartiger Elektrolyt verbindet sie. Legt man eine Spannung an das Glas an, verdunkelt sich die Wolframoxidbeschichtung. Durch Umkehrung der Polung hellt sie sich auf. Dies dauert jedoch lange – vor allem bei großen Scheiben von zwei bis drei Quadratmetern können 15 bis 20 Minuten vergehen, eh sie vollständig abgedunkelt sind.

Organische Monomere sorgen für den Abdunkelungseffekt
Die Forscher am IAP setzen auf eine andere Technologie, um die Scheiben abzudunkeln. »Wir nutzen organische Monomere, die wir in ein speziell entwickeltes Gießharz mischen«, sagt Eberhardt. Wie beim bisherigen Verfahren nutzen die Forscher als Ausgangssubstrat zinnoxidbeschichtete Glasscheiben. Sie verzichten allerdings auf eine weitere Beschichtung. Stattdessen legen sie die Scheiben mit der Zinnoxidbeschichtung aufeinander, füllen das Gießharz samt den elektrochromen Molekülen in den entstehenden Hohlraum und härten das Harz über Hitze oder UV-Strahlung aus. Nun legen die Wissenschaftler eine Gleichspannung an: Dies führt dazu, dass sich die Monomere auf einer der Elektroden zu einem elektrochromen Polymer verbinden. Bei einer deutlich geringeren Spannung lässt sich die Scheibe dann schalten. Der organische Farbgeber hat verschiedene Vorteile. Zum einen lassen sich durch die Wahl anderer Monomere künftig auch rote oder lila Scheiben verbauen. Zum anderen reagieren diese deutlich schneller. »Eine 1,2 Quadratmeter große Scheibe abzudunkeln, dauert nur etwa 20 bis 30 Sekunden. Klassische Wolframoxid-basierende elektrochrome Systeme würden dafür sicherlich zehn Minuten brauchen«, konkretisiert Eberhardt.

Sichere und stabile Scheiben
Auch die Stabilität der Scheiben spricht für das neue Verfahren. »Wir haben die
Stabilität unserer elektrochromen Scheiben entsprechend geltender DIN-Normen testen
lassen: Bereits ein Verbund aus zwei Scheiben reicht aus, um eine Überkopf-Verglasung
oder begehbare Scheiben zu realisieren. Bisher brauchte man dazu einen Vielfach-Glas-
Verbund«, so Eberhardt. Das heißt: Mit dem speziellen Gießharz lassen sich zum einen
Materialkosten sparen, da man statt drei oder vier Scheiben nur zwei braucht, zum
anderen kann man diese erstmalig auch elektrochrom schalten. Auch für den Schiffsbau
sind die Gläser stabil genug. Einen Prototyp der elektrochromen Gießharz-Verglasung
gibt es bereits, er schaltet momentan in der Farbe Blau. Im nächsten Schritt
realisieren die Forscher andere Farben, etwa Rot.

Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP

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