So schnell wie noch nie – mit Highspeed-Neutronentomographie erkennen, wie das Wasser in die Pflanzenwurzeln kommt

Ein Team von Forschenden aus Potsdam, Berlin und Grenoble konnte mit Hilfe von ultraschneller 3D-Neutronenbildgebung sowohl den Transport von Wasser im Boden als auch die anschließende Aufnahme durch die Wurzeln von Lupinen visualisieren. Die Highspeed-Neutronentomographie, die am Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) entwickelt wurde, erzeugt alle 1,5 Sekunden eine vollständige 3D-Aufnahme und ist damit siebenmal so schnell wie zuvor. Die Erkenntnisse sind hilfreich, um die Wasser- und Nährstoffaufnahme von Nutzpflanzen besser zu verstehen. Die Messungen fanden an der Neutronenquelle des Instituts Laue Langevin (ILL) in Grenoble, Frankreich statt und sind auch für ganz andere Untersuchungsobjekte anwendbar, wenn dort schnell Wasser verlagert wird.

Bei der Aufnahme von Wasser und Nährstoffen durch die Wurzeln der Pflanzen kommt es zu dynamisch-komplexen Wechselwirkungen mit dem umgebenden Boden. „Die tomographische Methode ermöglicht es, die Wasserflüsse im Boden und in den Wurzeln im Zeitverlauf festzuhalten", sagt Dr. Christian Tötzke, der das Forschungsteam der Universität Potsdam leitet. „Diese Einsichten können dabei helfen, Strategien zum effizienteren und nachhaltigeren Einsatz von Wasser und Dünger beim Anbau von Nutzpflanzen zu entwickeln.
Neutronen reagieren empfindlich auf leichte Elemente wie Wasserstoff, der im Wasser enthalten ist. Mit Neutronentomographie lässt sich daher der Wassergehalt präzise kartieren, sowohl in den Wurzeln als auch im umgebenden Boden. Denn wie Pflanzen sich mit Wasser und Nährstoffe versorgen können, hängt maßgeblich von Eigenschaften der Rhizosphäre ab, einer wenige Millimeter dicken Bodenschicht, welche die Wurzeln umgibt. Dieser Bereich umfasst nicht nur die mineralischen und organischen Bestandteile des Bodens, sondern wird durch Ausscheidungen der Wurzeln und durch die Aktivität von Mikroorganismen beeinflusst.
Bisher dauerten 3D-Aufnahmen mit zeitaufgelöster Neutronenbildgebung mindestens zehn Sekunden pro Aufnahme. Damit war es schwierig, schnelle Prozesse wie die Infiltrierung des Wurzelraumes mit Wasser im Detail zu dokumentieren. Um mehr Aufnahmen in kürzerer Zeit zu ermöglichen, optimierte ein Team um den HZB-Experten Dr. Nikolay Kardjilov die Methode am kürzlich eröffneten Tomographieinstrument NeXT-Grenoble des Instituts Laue-Langevin (ILL), das durch einen 60 Megawatt starken Forschungsreaktor mit kalten Neutronen versorgt wird. Unter Ausnutzung des sehr viel intensiveren Neutronenstrahls ist es gelungen, die Aufnahmezeit pro Tomogramm auf nahezu eine Sekunde zu reduzieren. „Das Ergebnis übertraf sogar unsere Erwartungen“, erklärt Tötzke: „So war die Erfassungsrate höher als erwartet. Gleichzeitig konnten aber auch das Signal-Rausch-Verhältnis und die räumliche Bildauflösung verbessert werden.“
Nachdem damit die technische Machbarkeit der Highspeed-Neutronentomographie nachgewiesen ist, arbeitet das Team um Kardjilov daran, die Methode weiter zu verbessern und in anderen Gebieten einzusetzen. Da die Berliner Neutronenquelle des HZB im Dezember den Betrieb einstellt, wird der schnelle Bildaufbau in das NeXT-Instrument in Grenoble integriert, um zukünftig auch in anderen Materialsystemen schnelle Transportprozesse untersuchen zu können. So könnte die Hochgeschwindigkeits-Neutronentomographie zum Beispiel neue Erkenntnisse über die hydraulische Frakturierung poröser Gesteinsformationen liefern oder zur Untersuchung des Ionen-Transfers während schneller Auf- und Entladungen von Lithium-Akkus eingesetzt werden, um die Sicherheit, Kapazität und Haltbarkeit solcher Energiespeicher zu erhöhen.

Die Ergebnisse sind im Fachjournal „Optics Express“ mit besonderer Empfehlung des Editors publiziert: C. Tötzke, N. Kardjilov, N. Lenoir, I. Manke, S.E. Oswald, A. Tengattini, 2019. What comes NeXT? – High-Speed Neutron Tomography at ILL, Opt. Express 27, 28640-28648, doi.org/10.1364/OE.27.028640

Text des News Release der Optical Society vom 23.09.:
https://www.osa.org/en-us/about_osa/newsroom/news_releases/2019/record-fast_neutron_tomography_tracks_water_pathwa/

Das Video kann direkt aus dem Supplement der Veröffentlichung heruntergeladen werden:
https://www.osapublishing.org/oe/fulltext.cfm?uri=oe-27-20-28640&id=420811#articleSupplMat

Kontakt:
Dr. Christian Tötzke, Telefon: 0331 977-2966, E-Mail: christian.toetzke@uni-potsdam.de
Foto: Zeitaufgelöste 3D-Neutronentomographie zeigt den Wasseraufstieg im Wurzelsystem einer Lupinenpflanze nach der Injektion von deuteriertem Wasser. Foto: Dr. Christian Tötzke.

Medieninformation 25-09-2019 / Nr. 127
Dr. Antonia Rötger, HZB/Dr. Christian Tötzke

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