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Permafrostregion setzt mehr und mehr CO2 frei
Große Überblicksstudie erfasst die arktischen Kohlendioxid-Emissionen
In den arktischen Regionen wird seit Zehntausenden von Jahren Kohlenstoff von Pflanzen aufgenommen und gespeichert. Eine neue Studie zeigt jedoch, dass die winterlichen Kohlenstoffemissionen der Arktis bereits jetzt schon mehr Kohlenstoff in die Atmosphäre bringen, als die Pflanzen jedes Jahr aufnehmen. Die heute in Nature Climate Change veröffentlichte Studie warnt davor, dass der Verlust von Kohlendioxid (CO2) aus den großen Permafrostregionen der Welt im Winter um 41 Prozent zunehmen könnte, wenn die vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen in ihrem derzeitigen Tempo anhalten. Das Deutsche GeoForschungsZentrum war über ein Team um Torsten Sachs an der Erarbeitung der Übersichtsstudie beteiligt.
„Wir haben gewusst, dass wärmere Temperaturen und auftauender Permafrost die CO2-Emissionen im Winter beschleunigt haben, aber wir hatten keine klare Summe für die Winter-Kohlenstoffbilanz“, sagte Dr. Sue Natali, Direktorin des Arktis-Programms am Woods Hole Research Center (WHRC) und Hauptautorin der Studie. „Diese Ergebnisse, die eine neue Grundlage für die CO2-Emissionen im arktischen Winter bilden, deuten darauf hin, dass der CO2-Verlust über den Winter bereits die Kohlenstoffaufnahme der Vegetationsperiode ausgleicht und diese Verluste mit zunehmender Erwärmung des Klimas zunehmen werden.“
Die Autorinnen und Autoren der Studie erfassten mehr als tausend Monatsbilanzen der beobachteten CO2-Emissionen von mehr als 100 Standorten über den gesamten nördlichen Permafrostbereich. Am GFZ trugen Forscher um Torsten Sachs Daten aus einem Untersuchungsstandort in der riesigen sibirischen Arktis bei. Der Treibhausgasmessungen und die dazugehörigen Klimastationen auf der Forschungsstation Samoylov Island im zentralen Lena-Delta werden gemeinsam vom GFZ, dem Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) und der Universität Hamburg betrieben. Torsten Sachs: „Der größte Teil des Permafrostes der Welt befindet sich auf russischem Gebiet – doch es gibt nur sehr wenige kontinuierlich aktive Untersuchungsstandorte, die die Treibhausgasemissionen dieser riesigen Permafrostregion überwachen.“
Östlich des Urals und nördlich des Polarkreises haben nur zwei Gruppen zu dieser Studie beigetragen: Eine Gruppe vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie Jena im Umkreis von Cherskiy und das Team von GFZ, AWI und der Uni Hamburg im Lena-Delta. Sachs: „Wir sehen den stärksten positiven Trend bei den CO2-Emissionen im Winter unter beiden Klimaszenarien in dieser Zone des kontinuierlichen Permafrostes, allerdings waren beobachteten Emissionen deutlich niedriger als von den Modellen prognostiziert.“ Dies deute auf Verbesserungsmöglichkeiten sowohl für die Modelle als auch für das Verständnis der Winteremissionen hin. Die nordsibirischen Standorte seien zwar abgelegen, teuer im Unterhalt und nicht immer komfortabel, so Sachs, „aber sie sind äußerst wichtig, wenn wir den Beitrag der Permafrostregion zu Veränderungen im Klimasystem wirklich verstehen wollen.“
Mit Hilfe von maschinellen Lerntechniken und Prozessmodellen bewerteten die 75 Autorinnen und Autoren der Studie aktuelle und zukünftige Winterverluste aus Permafrostregionen. Sie schätzen einen aktuellen Verlust von 1,7 Millionen Tonnen Kohlenstoff aus dem Permafrost während der Wintersaison (Oktober bis April). Dieser Verlust ist größer als die durchschnittliche Kohlenstoffaufnahme dieser Region in der Vegetationszeit, der anhand von Prozessmodellen geschätzt wird (1,0 Millionen Tonnen Kohlenstoff pro Jahr). Die Fortschreibung der Modellvorhersagen auf wärmere Bedingungen im Jahr 2100 deutet darauf hin, dass die CO2-Emissionen im Winter bei einem moderaten Minderungsszenario (RCP 4.5) um 17 Prozent, bei einem Business-as-usual-Emissionsszenario (RCP 8.5) um 41 Prozent steigen könnten.
„Wir wissen seit einiger Zeit, dass aufgetaute Böden im Sommer CO2 freisetzen, aber wir haben wirklich nicht erfasst, wie viel CO2 in den schneebedeckten Wintermonaten freigesetzt wird“, sagt die WHRC-Forscherin Jennifer Watts. „Unsere Daten sind jedoch begrenzt, insbesondere wenn man bedenkt, wie groß die Landflächen in der Permafrostregion sind. Aus diesem Grund ist es schwierig, sich in Echtzeit ein Bild davon zu machen, wie schnell sich die Ökosysteme verändern.“
Permafrost ist der kohlenstoffreiche gefrorene Boden, der 24 Prozent der Landfläche der nördlichen Hemisphäre bedeckt. Weltweit, von Alaska bis Sibirien, enthält der Permafrost mehr Kohlenstoff, als der Mensch je freigesetzt hat. „Angesichts der rasanten Erwärmung in der Arktis ist es dringend notwendig, die Überwachungsnetze auszubauen und diese Beobachtungen eng mit Modellen zu verknüpfen, um die Entscheidungsfindung zu erleichtern“, sagte Sue Natali. „Diese Studie unterstreicht die Notwendigkeit, die Emissionen fossiler Brennstoffe erheblich zu reduzieren, um zu verhindern, dass Kohlenstoff aus auftauenden Permafrostregionen in die Atmosphäre gelangt.“
Hinweis: Diese Pressemitteilung beruht in weiten Teilen auf englischsprachigem Material des “Woodshole Research Center” und der Hauptautorin Sue Natalie.
Originalstudie: Sue Natalie et al., 2019: Large loss of CO2 in winter observed across the northern permafrost region. Nature Climate Change, DOI: 10.1038/s41558-019-0592-8
Abbildungen:
Messstation auf “Samoylov Island” im zentralen Lena-Delta in Sibirien. Foto: Torsten Sachs, GFZ
Wissenschaftlicher Kontakt:
Prof. Torsten Sachs
Arbeitsgruppenleiter in der Sektion Fernerkundung und Geoinformatik
Helmholtz-Zentrum Potsdam
Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ
Telegrafenberg
14473 Potsdam
Tel.: +49 331 288-1423
Email: torsten.sachs@gfz-potsdam.de
Medienkontakt:
Josef Zens
Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Helmholtz-Zentrum Potsdam
Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ
Telegrafenberg
14473 Potsdam
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Email: Josef.Zens@gfz-potsdam.de