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„Arbeitswelt nicht nur punktuell reformieren, sondern umfassend nachhaltig transformieren!“
Die Wissenschaftsplattform Nachhaltigkeit 2030 (wpn2030) hat ein Empfehlungspapier an die Bundesregierung zur Förderung nachhaltiger Arbeit veröffentlicht. Die Autorinnen und Autoren appellieren darin, herkömmliche Vorstellungen von „guter Arbeit“ weiterzuentwickeln und die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie als Rahmen zu nutzen.
„Auch in Sachen Arbeitswelt stehen wir vor gewaltigen Gestaltungsaufgaben, damit eine nachhaltigen Entwicklung gelingt – und die Corona-Krise führt uns einmal mehr die Dringlichkeit vor Augen“, betonen Prof. Marion A. Weissenberger-Eibl (Fraunhofer ISI & KIT) und Prof. Stephan Lessenich (LMU München), die eine transdisziplinäre Arbeitsgruppe zur Erstellung des Papiers geleitet haben.
„Wichtig wird dabei insbesondere sein, die Arbeitswelt nicht nur punktuell zu reformieren, sondern umfassend und nachhaltig zu transformieren – so dass das Soziale, Wirtschaftliche und Ökologische zukünftig wie selbstverständlich zusammen gedacht und gestaltet werden.“
Eine Transformation hin zu einer nachhaltigen Arbeitswelt sei dringend geboten, um sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Schieflagen und der Überausbeutung von Arbeit und Natur langfristig und global entgegenwirken zu können. Der Weg dorthin sei aber noch weit, denn: „Punktuelle Ansätze sind zwar vielerorts vorhanden und auch teilweise erfolgreich. Für weitreichende Effekte allerdings mangelt es an umfassenden konzeptionellen Grundlagen zur Gestaltung einer nachhaltigen Arbeitswelt“, so Marion A. Weissenberger-Eibl.
In ihrem Papier beleuchtet die Arbeitsgruppe der wpn2030 unter anderem den Status von Arbeit und langfristige Trends in der Arbeitswelt. „In gewisser Hinsicht leben wir mitunter noch im 19. Jahrhundert“, so Stephan Lessenich, „denn unsere Vorstellungen und Konzepte davon, was ‚gute Arbeit‘ ausmachen sollte, hängen noch stark an den klassischen industriellen Arbeitsverhältnissen und passen nur noch unzureichend zu den Realitäten, Tendenzen und Anforderungen des 21. Jahrhunderts.
"Unterbelichtet seien insbesondere neue Arbeitsformen und Trends wie etwa Solo-Selbständige, Sub-Unternehmer*innen oder digital arbeitende Click- und Crowdworker*innen. Ebenso die engen globalen Zusammenhänge wie etwa der Zugriff auf billige Arbeit in anderen Weltregionen, oftmals mit zerstörerischen sozialen und ökologischen Folgen, und nicht zuletzt die anhaltende und sich verschärfende Ausbeutung und nicht-nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen.
Lessenich: „All das sind sehr wirkmächtige, längst existente und miteinander verbundene Faktoren unserer heutigen Arbeitswelt, die wir mit einbeziehen müssen, um zu einem zeitgemäßen Bild von guter – und eben nachhaltiger – Arbeit zu kommen. Und das brauchen wir, damit es gesellschaftliche Gestaltung und politische Entscheidungen anleiten kann.“
Falls dies ausbleibe, laufe man Gefahr, dass sich soziale, wirtschaftliche und ökologische Schieflagen weiter verschärfen. In ihrem Impulspapier präsentiert die wpn2030 erste Vorschläge für Gütekriterien nachhaltiger Arbeit, die in einem gesamtgesellschaftlichen Dialog aufgegriffen und weiter konkretisiert werden sollten. Diese Gütekriterien zielen auf die engere Verzahnung der Arbeitswelt mit Zielen nachhaltiger Entwicklung: „Innovationen werden bei all dem eine zentrale Rolle spielen. Ihre Beiträge für nachhaltige Entwicklung und ihr nachhaltiger Einsatz werden dabei entscheidend sein“, so Weissenberger-Eibl.
Digitale Technologien können einerseits zu einer Entgrenzung von Arbeit beitragen, bergen aber auch große Chancen für beispielsweise soziale Innovationen, die zu nachhaltigeren Arbeitswelten beitragen können. Neben konzeptionellen Weiterentwicklungen bedürfe es dringend auch struktureller Veränderungen. „Nachhaltige Arbeit muss zu einem politischen Querschnittsthema gemacht werden – mehr Ressorts als bisher müssen für die Gestaltung zusammenkommen“, so Lessenich.
Mit der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie liege auch bereits ein Rahmen vor, in dem dies stärker als bislang politisch zusammengedacht werden könne. Dieser Rahmen müsse aber deutlich intensiver genutzt werden. „Auch müssen wir in Deutschland den gesellschaftlichen Dialog zu Arbeit und Nachhaltigkeit intensiver führen“, so Weissenberger-Eibl. „Die Aufgabe, zu einer nachhaltigen Arbeitswelt zu kommen, ist riesig und sie betrifft uns alle – auf unterschiedlichsten Ebenen. Wir müssen also endlich zusammenkommen und darüber sprechen. Wir dürfen das Möglichkeitsfenster, das uns die Erfahrungen aus der Corona-Krise eröffnet, nicht ungenutzt lassen.“