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Bürgerrat Klima: „Das 1,5-Grad-Ziel hat oberste Priorität“
Der erste bundesweite Bürgerrat Klima hat über 80 Empfehlungen für die deutsche Klimapolitik in den Bereichen Mobilität, Gebäude und Wärme, Ernährung und Energie präsentiert. Sie wurden von 160 zufällig ausgelosten Bürgerinnen und Bürgern in über 50 Sitzungsstunden erarbeitet. Der Bürgerrat wurde begleitet und unterstützt von einem Gremium aus der Wissenschaft, welches Prof. Ortwin Renn vom Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS) geleitet hat.
„Das 1,5-Grad-Ziel hat oberste Priorität. Klimaschutz ist Menschenrecht und muss ins Grundgesetz aufgenommen werden. Jedes neue Gesetz ist auf seine Klimaschutzwirkung zu überprüfen“ – so startet das Empfehlungsschreiben des Bürgerrat Klima. Danach folgt der Leitsatz: „Der Klimaschutz dient dem Allgemeinwohl und hat Priorität vor Einzelinteressen“ und wird ergänzt durch die Mahnung: „Insbesondere die großen Unternehmen müssen verpflichtet werden, im Sinne des Klimaschutzes und des Gemeinwohls zu handeln.“ Alle Teilnehmenden des Bürgerrats Klima konnten sich am Ende auf diese und über 80 weitere Empfehlungen einigen, die für die kommende Legislaturperiode der deutschen Klimapolitik als Handlungsanleitung vorgelegt werden. 64 Prozent der in diesem Rat erarbeiteten Empfehlungen wurden mit über 90 Prozent Zustimmung angenommen.
Der Rat wurde unterstützt von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Sie sollten „mit der besten wissenschaftlichen Expertise ihre eigenen Bewertungen machen“, sagt IASS-Direktor Ortwin Renn, der zusammen mit seinem Direktoriumskollegen Prof. Mark Lawrence sowie dem Affiliate Scholar Roman Huber und weiteren Experten und Expertinnen aus der Wissenschaft dieses Pilotprojekt eines partizipativen Bürgergremiums begleitet hat. Lawrence stand dem Bürgerart unter anderem aufgrund seiner Expertise als Atmosphärenwissenschaftler zur Verfügung. Insgesamt bündelte der Bürgerrat so die Expertise aus Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft.
„Ich bin sehr positiv beeindruckt, wie ambitioniert die Bürgerinnen und Bürger sich beteiligt haben“, sagt Prof. Lawrence vom IASS-Direktorium über den Bürgerrat. „Natürlich sind die Empfehlungen des Bürgerrats nicht mit einem kohärenten Klimaschutzplan der Bundesregierung zu vergleichen und die Einzelmaßnahmen und deren Realisierbarkeit müssten sicher noch weiter diskutiert werden. Aber wichtig ist doch: Es ist ganz klar geworden, dass die Bürgerinnen und Bürger bereit sind, sehr weit – viel weiter als bisher gedacht – persönliche sowie gesellschaftliche und strukturelle Veränderungen mitzutragen. Das könnte dem Bürgerrat eine sehr große politische Tragweite geben.“
Aufklärungspflicht des Staates
Der Rat sieht auf Seiten des Staates eine Aufklärungspflicht und empfiehlt daher: „Jede Bürgerin und jeder Bürger muss eigene mündige Entscheidungen treffen können. Hierfür ist Aufklärung und Transparenz über Klimaauswirkungen und Klimafolgen erforderlich. Deshalb muss jeder Zugang zu allen relevanten Informationen haben. Es gibt eine staatliche Aufklärungspflicht.“ Zugleich müssten „alle Verantwortung übernehmen und zu Veränderung bereit sein“ für die Klimawende, so der Bürgerrat.
Unter anderem auf die folgenden Punkte einigte sich der Bürgerrat Klima:
- mehr Flächen für erneuerbare Energien und Aufforstung: ab 2022 schrittweise eine Pflicht für Photovoltaikanlagen auf Dächern einführen
- Windenergieausbau fördern
- Vereinfachung und Förderung des Eigenverbrauchs etwa bei privaten Photovoltaik-Anlagen
- Anpassung der EEG-Umlage, die Bürger auf den Strompreis zahlen
- Kohleausstieg vorziehen: bis zum Jahr 2030, statt wie bisher geplant bis 2038
- bis 2035: Ausstieg aus der Energieerzeugung mit fossilen Brennstoffen
- „grüner Strom“ muss billiger sein als der erzeugt aus Erdöl, Erdgas oder Kohle
- ÖPNV ausbauen und attraktiver machen
- Ausbau des Bahnverkehrs – etwa durch den weiteren Ausbau des Schienennetzes
- Abbau von Subventionen für den Autoverkehr und Förderung des Radverkehrs sowie von E-Bikes
- Vermeiden von Flugreisen und Flugverkehr auf synthetische Kraftstoffe umstellen
- bis 2030 klimafreundliche Landwirtschaft und klimafreundlicher Ernährungssektor
- ab 2030 keine Erstzulassungen mehr für Autos mit Verbrennungsmotoren
Die Empfehlungen des Bürgerrat Klima werden mit Unterstützung des wissenschaftlichen Kuratoriums in einem Bürgergutachten festgehalten und allen Parteien im Bundestag übergeben.
Publikation:
https://buergerrat-klima.de/content/pdfs/BK_210624_Empfehlungen.pdf
Bilderklärung: Copyright: Bürgerrat Klima/ Robert Boden