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Nachhaltigkeitsplattform Brandenburg | Regionale Entwicklungschancen: Impulse für eine wirksame Nachhaltigkeitsstrategie
Sämtliche Lebensbereiche nachhaltig aufzustellen, ist ein gesellschaftlicher Kraftakt. Das Land Brandenburg verfolgt deshalb eine Landesnachhaltigkeitsstrategie (LNHS), die seit kurzem ein Beirat begleitet. Beim zweiten Plenum der Nachhaltigkeitsplattform Brandenburg, veranstaltet vom Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS), lag der Fokus auf den Bedingungen, unter denen die LNHS volle Wirksamkeit entfalten kann. Wiederkehrender Konsens war, alle Maßnahmen müssten auch flächendeckend adaptiert werden - und dies von allen.
In ihrer Begrüßung wies Ministerin Kathrin Schneider, Chefin der Brandenburger Staatskanzlei, zunächst auf die grundsätzliche Frage: „Was ist Nachhaltigkeit eigentlich?“. Vor dem Hintergrund vieler Menschen mit unterschiedlichen Positionen und ebenso diversen Interpretationen von „Nachhaltigkeit“ sei dies eine entscheidende Frage. Schneider: „Alle haben sich hinter der Agenda 2030 versammelt, hinter den 17 SDGs, aber was das eigentlich heißt und wie viele Konflikte daraus entstehen, ist zunächst auf den ersten Blick nicht ersichtlich.“ Sobald es jedoch an die Umsetzung gehe, würde klar, wie viele Konfliktlinien damit verbunden seien. Diese „kann man aber nur lösen, wenn sie auf den Tisch kommen und sie klar benannt werden“, sagte Schneider. „Das ist die große Herausforderung, die wir alle haben. Worauf wollen wir uns konzentrieren?“ Seien wir in der Lage Lösungen zu finden, so dass wir uns vorwärts bewegen könnten in Sachen Nachhaltigkeit hier in Brandenburg? Sind es alle 17 SDGs, die es umzusetzen gelte - oder gibt es für Brandenburg spezielle Nachhaltigkeitsziele, die vorrangig angegangen werden sollten?
Eine Empfehlung dazu gab Marc-Oliver Pahl vom Rat für Nachhaltige Entwicklung ab: „Wir vom Nachhaltigkeitsrat haben eine Clusterung der Herausforderungen – also der großen Transformationsbereiche - vorgenommen innerhalb der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie 2021, das ist sicherlich die größte Innovation.“ Es seien so sechs große Themen entstanden wie Energiewende und Klimawandel, aber auch Ressourcen, zirkuläres Wirtschaften, Ernährung und Landwirtschaft, Bauen und Mobilität. Ein Fokus solle künftig zudem noch mehr auf der Wirtschaft liegen: „Einige Unternehmen sind schon dabei, aber andere noch sehr skeptisch, da gibt es noch viel Potential“, sagte Pahl.
Was die jeweiligen Regionen angehe, so helfe es nichts mit einer Gleichmacherstrategie heranzugehen, da jede Region andere „Themen“ habe – so falle einem in Brandenburg zuerst die Lausitz und das Thema Braunkohle als besondere Herausforderung ein. Gerade diese Region hätte das Potential zu einer Modellregion für nachhaltige Entwicklung zu werden.
Im Laufe des Tages im Bildungs- und Innovationscampus Handwerk in Groß Kreutz wurden die vielen verschiedenen Problem- und Konfliktlinien jedoch mehr als deutlich. Das reicht vom Mangel an Handwerkern und Fachkräften, die erneuerbare Energieerzeugung überhaupt installieren könnten, über fehlende positive Zukunftsvisionen oder Zustimmung und Unterstützung aus der Bevölkerung bis zur finanziellen Förderung der Kommunen und ihrer Umsetzungsmaßnahmen; von einer notwendigen Infrastruktur für den Wissenstransfer bis zum Einbinden der nachfolgenden Generationen in Entscheidungsprozesse.
Groß Kreutz als Innovationsstandort fürs nachhaltige Handwerk
Zugleich scheinen jedoch viele Lösungen schon in greifbarer Nähe: So stellte Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Potsdam, Ralph Bührig, das Innovationszentrum in Groß Kreutz detaillierter vor, weil es im Frühjahr 2022 als Weiterbildungsstätte des Handwerks genau jene Kompetenzen vermitteln soll, die für die Energiewende gebraucht werden. „Es soll sich weiterentwickeln zu einem bundesweit einmaligen Kompetenzzentrum für das Thema Energiespeicherung und Energiesystemmanagement“, sagte Bührig, in welchem die 40.000 Brandenburger Handwerksbetriebe mit rund 160.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sich schulen lassen können in den für die Zukunft relevanten Bereichen.
„Viele Handwerksberufe haben das Potential auch für junge Leute über das Thema Nachhaltigkeit attraktiv zu sein“, urteile Bührig – und mahnte dazu, dass „Gesellschaft und Politik diese Chancen auch in die Köpfe der jungen Leute bringen“ müsse.
Vor der Abschlussdiskussion wies Staatssekretärin im Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz Silvia Bender darauf hin, dass der Klimawandel in Brandenburg längst angekommen sei. „Die zehn heißtesten Jahre seit 1881 – seit Beginn der Wetteraufzeichnungen – liegen im 21. Jahrhundert. Die Jahresmitteltemperatur hat seit 1881 um 1,3 Grad Celsius zugenommen und die Winter haben sich in den vergangenen Jahren um 15 Tage verkürzt.“
Größte Herausforderung für Brandenburg sei das Wasser. Bereits jetzt zeigten die Grundwassermessstände nahezu ausnahmslos ein Abfallen der Pegel. Bender: „Sie sehen es an den vielen Seen in unserem Land!“ Die durch die Klimakrise herbeigeführten Schäden für die Gesundheit als auch die Wirtschaft seien enorm: „2018 gab es 331 Hitzetote, 1675 Hektar Waldbrände. Und es kam zu Ernteausfällen im Umfang von 72 Millionen Euro“, erläuterte Bender, die am Klimaplan für Brandenburg in einer interministeriellen Gruppe mitarbeitet. Es sei längst nicht mehr die Frage, wie teuer Klimaschutz ist, sondern wie teuer komme kein Klimaschutz!
Bei der Ausarbeitung des Klimaplans für Brandenburg würden die Mitarbeitenden aus den Ministerien nicht nur von einem wissenschaftlichen Konsortium begleitet, sondern es werde auch Stakeholder-Dialoge geben, ab Ende November die Beteiligung des Jugendforums Nachhaltigkeit und ab dem kommenden Jahr eine Online-Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger. All dies hieße jedoch nicht, dass die weiteren Themen der Nachhaltigkeit vernachlässigt würden, es müsse beides zusammen angegangen werden, so Bender.
In der abschließenden Diskussion plädierte die Vertreterin des Jugendforums Nachhaltigkeit Jana Schelte für schnelles Handeln und einen Paradigmenwechsel hin zum Klimaschutz, während Rüdiger Kuhn von CEMEX Deutschland darauf hinwies, dass Deutschland global unter Beobachtung stünde. „Fast noch wichtiger als der Punkt, dass wir etwas tun, ist deshalb, wie wir uns als Gesellschaft transformieren und ob wir es schaffen, dafür Nachahmer zu finden.“
Aufzeichnung der Veranstaltung
2. Plenum der Nachhaltigkeitsplattform Brandenburg (Teil 1)
2. Plenum der Nachhaltigkeitsplattform Brandenburg (Teil 2)
Mehr zur Nachhaltigkeitsplattform und dem Nachhaltigkeitsbeirat von Brandenburg
Bild: ©IASS/ Piero Chiussi