Wichtige Phasen der menschlichen Evolution stimmen mit Klimaschwankungen in Ostafrika überein

Schlüsselphasen des Klimawandels haben die menschliche Evolution, Ausbreitung und Innovation beeinflusst. Dies zeigen die Untersuchungen eines interdisziplinären Teams, dem auch Forschende der Universität Potsdam angehören. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler analysierten dafür zwei jeweils 280 Meter lange Sedimentkerne aus dem Chew-Bahir-Becken in Südäthiopien, einem Gebiet, in dem sich frühe Menschen während des Pleistozäns (vor 2.580.000 bis vor 11.700 Jahren) entwickelten. Ihre Ergebnisse wurden jetzt in „Nature Geoscience“ veröffentlicht.

Das Projekt, das von Prof. Martin H. Trauth gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen von den Universitäten Köln, Aberystwyth und Addis Ababa geleitet und unter anderem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert wird, erforscht das jüngste Kapitel der menschlichen Evolution. Dazu wurden Seesedimente in unmittelbarer Nähe paläoanthropologischer Schlüsselstellen im östlichen Afrika mittels wissenschaftlicher Tiefbohrungen analysiert.

An der vorgelegten Studie waren mehr als 22 Forschende aus 19 Einrichtungen in sechs Ländern beteiligt; Hauptautorin ist Dr. Verena Foerster von der Universität zu Köln. Die Analyse von Seesedimenten ergab, dass drei unterschiedliche Phasen der Klimavariabilität im östlichen Afrika mit Verschiebungen in der Entwicklung und Ausbreitung der Hominiden in den letzten 620.000 Jahren zusammenfielen.

Ein interdisziplinäres Team von Forschenden aus den Geowissenschaften, der Paläontologie, der Anthropologie, der Archäologie, der Klimamodellierung und vielen weiteren arbeitete daran, zwei 280 Meter lange Sedimentkerne zu bergen, aus denen Daten zur Rekonstruktion der Klimageschichte der Region gewonnen wurden. Anschließend identifizierten sie Phasen klimatischen Stresses sowie günstigere Bedingungen und interpretierten, wie diese Faktoren die menschlichen Lebensräume veränderten und die biologische und kulturelle Entwicklung der Menschen sowie ihre Ausbreitung beeinflussten.

Sie fanden heraus, dass mehrere anatomisch unterschiedliche Hominidengruppen das Gebiet während einer Phase langanhaltender und relativ stabiler feuchter Bedingungen von etwa 620.000 bis 275.000 Jahren vor unserer Zeit bewohnten. Diese lange, im Allgemeinen stabile und feuchte Phase wurde jedoch durch eine Reihe kürzerer, abrupter und extremer Trockenheitsschübe unterbrochen. Höchstwahrscheinlich führte dies zu einer Fragmentierung der Lebensräume, Verschiebungen in der Populationsdynamik und sogar zum Aussterben lokaler Populationen. Infolgedessen mussten sich kleine, reproduktiv und kulturell isolierte Populationen an dramatisch veränderte lokale Umgebungen anpassen. Dies förderte wahrscheinlich das Auftreten der vielen geografisch und anatomisch unterschiedlichen Hominidengruppen und die Trennung unserer modernen menschlichen Vorfahren von archaischen Gruppen.

In einer Phase mit erheblichen Klimaschwankungen, die zu Veränderungen der Lebensräume in diesem Gebiet führte, kam es zwischen etwa 275.000 und 60.000 Jahren vor unserer Zeitrechnung immer wieder zu Umweltverschiebungen von üppiger Vegetation mit tiefen Süßwasserseen zu sehr trockenen Landschaften. In dieser Phase gingen die Bevölkerungsgruppen allmählich von den Technologien des zum Altpaläolithikum gerechneten Acheuléens zu den höher entwickelten Technologien des Mittelpaläolithikums über. Dieser entscheidende Zeitabschnitt umfasst auch das Auftauchen des Homo sapiens in Ostafrika sowie wichtige soziale, technologische und kulturelle Innovationen des Menschen. „Diese Innovationen, wie z. B. vielfältigere Werkzeuge aus Materialien, welche aus großer Entfernung gebracht wurden, hätten den modernen Menschen mit einer beispiellosen Anpassungsfähigkeit an das wiederholte Wachsen und Schrumpfen von Lebensräumen ausgestattet“, so Dr. Foerster.
In der Phase von etwa 60.000 bis 10.000 Jahren vor unserer Zeit, die trockenste der gesamten Aufzeichnung, gab es die extremsten Umweltschwankungen, die als Motor für den kontinuierlichen kulturellen Wandel der Ureinwohner gewirkt haben könnten. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass die kurzzeitige Abfolge von Feuchtigkeitsschüben in Ostafrika und feuchten Phasen in Nordostafrika und im Mittelmeerraum der Schlüssel zur Öffnung günstiger Migrationsrouten aus Afrika heraus war, die die globale Ausbreitung des Homo sapiens erleichterten. „Angesichts der aktuellen Bedrohung des menschlichen Lebensraums durch den Klimawandel und die Übernutzung natürlicher Ressourcen durch den Menschen ist das Verständnis der Beziehung zwischen Klima und menschlicher Evolution wichtiger denn je“, so Foerster abschließend.

Link zur Publikation: Verena Foerster, Asfawossen Asrat, Christopher Bronk Ramsey, Erik T. Brown, Melissa S. Chapot, Alan Deino, Walter Duesing, Matthew Grove, Annette Hahn, Annett Junginger, Stefanie Kaboth-Bahr, Christine S. Lane, Stephan Opitz, Anders Noren, Helen M. Roberts, Mona Stockhecke, Ralph Tiedemann, Céline M. Vidal, Ralf Vogelsang, Andrew S. Cohen, Henry F. Lamb, Frank Schaebitz and Martin H. Trauth: Pleistocene climate variability in eastern Africa influenced hominin evolution, Nature Geoscience, DOI: 10.1038/s41561-022-01032-y.
https://www.nature.com/articles/s41561-022-01032-y

Link zur Pressemeldung der Universität zu Köln: https://portal.uni-koeln.de/universitaet/aktuell/presseinformationen/det...

Abbildung: Bohrlokalität und Lager im Chew-Bahir-Becken in Südäthiopien. Bildrechte: Annett Junginger.

Kontakt Universität Potsdam: Prof. Dr. Martin H. Trauth, E-Mail: trauth@geo.uni-potsdam.de, Telefon: 0331 977 5810 / 2116

Kontakt Universität zu Köln: Dr. Verena Foerster, E-Mail: V.Foerster@uni-koeln.de

Medieninformation 27-09-2022 / Nr. 103
Dr. Stefanie Mikulla (Universität Potsdam) / Eva Schissler (Universität zu Köln)

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