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Hasso-Plattner-Institut: Neuer Touchscreen erkennt Fingerabdrücke
Potsdam. Forscher des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) haben den weltweit ersten Touchscreen entwickelt, der auf der Bildschirmfläche Fingerabdrücke erkennt. Der aktuelle Prototyp „Fiberio“ ist groß genug, um zwei Benutzer gleichzeitig arbeiten zu lassen. HPI-Masterstudent Sven Köhler (23) stellte das mit Glasfaser-Technologie und Rückprojektion arbeitende System am Mittwoch in Hannover der Öffentlichkeit vor. Köhler und sein mittlerweile promovierter Kommilitone Dr. Christian Holz gehören zu den Nominierten für den CeBIT Innovation Award, der im März auf der CeBIT 2014 vergeben werden soll.
„Fiberio ist ein völlig neuer Ansatz, Benutzer sicher mit ihrem System interagieren zu lassen“, sagte Köhler. Zusammen mit Holz verzichtete er auf Tastaturen zur PIN-Eingabe und auch ein separater Fingerabdruckscanner wie im neusten iPhone findet sich nirgendwo. Der Grund: Fiberio-Benutzer melden sich nicht mehr an: „Während Anwender mit Fiberio wie mit einem ganz normalen Touchscreen interagieren, erkennt das System deren Fingerabdrücke und stellt dadurch sicher, dass die Benutzer entsprechende Zugriffsrechte haben,“ erläuterte Köhler. Die Notwendigkeit, sich einzuloggen, entfalle bei Fiberio vollständig - trotzdem sei eine Benutzung durch Unbefugte ausgeschlossen, ergänzte der Potsdamer.
Nach seinen Worten löst die Innovation das Problem bestehender Systeme, dass sich Unberechtigte Zugang zu Daten verschaffen konnten, indem sie sich in einem unbeobachteten Moment des Geräts bemächtigten. Das Problem liege in der automatischen Zeitsperre, die heute durchgängig von PCs, Notebooks und Mobilgeräten verwendet werde. „Das sind dann zum Beispiel zehn Minuten, in denen das System offen und damit unsicher ist. Doch Fiberio macht genau diese Zeitsperre überflüssig“, sagte Köhler.
Die biometrische Authentifizierung macht es zum Beispiel möglich, mehrere Nutzer mit unterschiedlichen Kompetenzen an einem gemeinsamen Arbeitsplatz sicherheitskritische Dokumente bearbeiten zu lassen. Fiberio erlaubt es beispielsweise in Banken allen Mitarbeitern, Kundendaten einzusehen. Zahlungsanweisungen oberhalb einer bestimmten Wertgrenze hingegen darf nur ein Manager freigeben. „Fiberio weiß, wer welche Rechte hat und erlaubt oder sperrt den Zugriff - unsichtbar und im Hintergrund“, ergänzte der HPI-Masterstudent. Einen optischen Eindruck von Fiberio vermittelt ein Video auf YouTube.
Anfang Oktober war die Innovation auf einem wissenschaftlichen Symposium (ACM User Interface Software and Technology 2013) im schottischen St. Andrews mit dem „Best Paper Award“ ausgezeichnet worden. „Die Idee, dass ein Gerät sich nur durch seinen Besitzer benutzen lässt, wurde vor langer Zeit in Science Fiction-Filmen angedacht. Mit Fiberio lassen wir das Wirklichkeit werden“, sagte HPI-Professor Patrick Baudisch, an dessen Fachgebiet „Human Computer Interaction“ die Innovation entwickelt worden ist.
Herkömmliche Systeme böten weniger Sicherheit. Denn sobald die Anwender ihr Passwort eingegeben oder ihren Fingerabdruck eingescannt hätten, würden sie vom Programm bis zu dessen Ende oder bis zu einer Zeitsperre akzeptiert. „Solche Systeme sind dann praktisch auch für jeden anderen Anwender offen. Fiberio hingegen authentifiziert die Benutzer für jeweils diejenige Interaktion, die gerade ausgeführt wird - biometrisch und sicher“, fügte Baudisch hinzu. Da sich die Authentifizierung immer nur auf das eine Bildschirmelement beziehe, das der Benutzer gerade berühre, werde das Risiko eines unbefugten Zugriffs ausgeschlossen.
Die Jury des CeBIT Innovation Award mit der Berliner Professorin Gesche Joost an der Spitze nominierte die Potsdamer Innovation, weil sie die Möglichkeit der komplexen Interaktion durch Bildschirmberührung sowie die Entwicklung speziellen Glasfasermaterials als „äußerst innovativ“ bewertet. Außerdem gefällt ihr an Fiberio, dass die Technik einen hohen Sicherheitsstandard bietet. Sehr nutzerfreundlich sei, dass die Sicherheit durch das technische System gewährleistet werde, ohne die Verantwortung dafür dem Menschen zu übertragen, heißt es in einem Schreiben an die jungen HPI-Forscher Holz und Köhler.
Der CeBIT Innovation Award wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und der Deutschen Messe vergeben für herausragende Entwicklungen in den Bereichen Design, Nutzerfreundlichkeit und Mensch-Maschine-Interaktionen. Der CeBIT Innovation Award ist mit insgesamt 100.000 Euro dotiert.
Kurzprofil Hasso-Plattner-Institut
Das Hasso-Plattner-Institut für Softwaresystemtechnik GmbH (HPI) in Potsdam ist Deutschlands universitäres Exzellenz-Zentrum für IT-Systems Engineering. Als einziges Universitäts-Institut in Deutschland bietet es den Bachelor- und Master-Studiengang „IT-Systems Engineering“ an – ein besonders praxisnahes und ingenieurwissenschaftliches Informatik-Studium, das von derzeit 470 Studenten genutzt wird. Die HPI School of Design Thinking, Europas erste Innovationsschule für Studenten nach dem Vorbild der Stanforder d.school, bietet pro Jahr 240 Plätze für ein Zusatzstudium an. Insgesamt zehn HPI-Professoren und über 50 weitere Gastprofessoren, Lehrbeauftragte und Dozenten sind am Institut tätig. Es betreibt exzellente universitäre Forschung – in seinen neun Fachgebieten, aber auch in der HPI Research School für Doktoranden mit ihren Forschungsaußenstellen in Kapstadt, Haifa und Nanjing. Schwerpunkt der HPI-Lehre und -Forschung sind die Grundlagen und Anwendungen großer, hoch komplexer und vernetzter IT-Systeme. Hinzu kommt das Entwickeln und Erforschen nutzerorientierter Innovationen für alle Lebensbereiche. Das HPI kommt bei den CHE-Hochschulrankings stets auf Spitzenplätze. Mit openHPI.de bietet das Institut seit September 2012 ein interaktives Internet-Bildungsnetzwerk an, das jedem offen steht.