Erdbebenserien heben Küsten an

Die Untersuchung von Hebungsraten über lange Zeiträume kann helfen, das Risiko für schwere Beben abzuschätzen

Eine neue Vorstellung von Vorgängen im Untergrund könnte erklären, wie schwere Erdbeben mit einer Magnitude größer als 7 (M>7) und die Hebung von Küsten miteinander zusammenhängen. Der Mechanismus hat Folgen für die Abschätzung des Erdbebenrisikos und der Tsunami-Gefahr für viele Regionen weltweit. Ein Team von internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unter der Leitung von Vasiliki Mouslopoulou vom Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ stellt diese Überlegungen jetzt in der Fachzeitschrift „Tectonics“ vor. Demnach sind es Serien von schweren Erdbeben innerhalb eines geologisch kurzen Zeitraums, die die Küste in jenen Regionen anheben, wo sich eine Erdplatte unter eine andere schiebt (Subduktion).

Um ihre Hypothese zu prüfen, untersuchten die Forscherinnen und Forscher so genannte Paläo-Küstenlinien. Das sind oftmals spektakulär vom Wasser geformte Gesteine, die durch Landhebung nicht weiter verändert wurden. Diese geologischen Zeugnisse lassen sich datieren, wodurch man Hebungsraten über Jahrtausende ermitteln kann. Vasiliki Mouslopoulou sagt: “Es ist nicht unwahrscheinlich, dass an den Küsten von Subduktionszonen, wo sich in den vergangenen 10.000 Jahren keine Landhebung ereignet hat, schwere Erdbeben mit M>7 zu erwarten sind.“

Foto: Eine Reihe von marinen Terrassen an der Südküste von Kreta zeugt von Küstenlinien aus längst vergangenen Zeiten. Die rot gestrichelte Linie unten markiert etwa die Anhebung der Küstenlinie durch ein Erdbeben mit einer Magnitude größer als 8 um 365 nach Christus. Die höher gelegenen Terrassen (gelbe Linien) zeigen kumulierte Hebungsraten durch viele Erdbebenserien aus den vergangenen 125.000 Jahren an. Foto: V. Mouslopoulou/GFZ

Küstenhebungen sind an Subduktionszonen weltweit sehr häufig, etwa an der russischen Pazifikküste (Kamtschatka), in Japan, Neuseeland oder Papua Neuguinea. Die Hebungsraten der vergangenen 10.000 Jahre sind dabei oft zehnmal so hoch wie die Hebungsraten über längere Zeiträume (mehr als 125.000 Jahre). Dieser Unterschied hat Geologen stutzig gemacht und nach einer Erklärung suchen lassen. Ein Team aus neuseeländischen und deutschen Forscherinnen und Forschern von der University of Canterbury und dem GFZ hat deshalb Paläoküstenlinien weltweit untersucht. Das Team nutzte ein 2D-Modell und Daten von 282 Orten in Italien, Griechenland, Neuseeland, Japan, Papua Neuguinea, Iran, Pakistan und Chile.

Die Analyse der Daten und Modellrechnungen ergaben, dass die wechselnden Hebungsraten geologisch gesehen ein kurzfristiges Phänomen sind, also in Zeiträumen von weniger als 20.000 Jahren auftreten. Damit scheiden aber Prozesse in der Tiefe an den Grenzen der sich verschiebenden Erdplatten als Ursache aus. Stattdessen gehen die Forscher davon aus, dass Serien von schweren Erdbeben (M>7), deren Ursache in geologischen Störungen in der oberen Erdplatte liegen, die raschen Hebungen der letzten 10.000 Jahre hervorgerufen haben. Im Umkehrschluss heißt das: An Subduktionszonen, wo seit Jahrtausenden keine Küstenhebungen stattgefunden haben, ist das Risiko für ganze Serien schwerer Beben höher. Aufgrund der vielen analysierten Daten aus ganz unterschiedlichen Regionen weltweit gehen die Forscher davon aus, dass die Erkenntnisse weitreichende Folgen für die Risikoabschätzung haben.

Vasiliki Mouslopoulou erläutert: „Das ist der erste Nachweis einer zeitlichen Häufung von schweren Beben entlang von aktiven Subduktionszonen. Das deutet darauf hin, dass es eine intensive Phase des Spannungsabbaus im Gestein gibt, die von langen Intervallen seismischer Ruhe gefolgt wird.“ Damit müsse das Risiko für schwere Beben und Tsunamis in jenen Subduktionszonen, in denen es keine Hebungen der Küste gab, neu bewertet werden. Für eine solche Bewertung könnten Paläoküstenlinien, die älter als 10.000 Jahre sind, herangezogen werden. Kurz gesagt: Um das Risiko künftiger schwerer Erdbeben abzuschätzen, lohnt ein Blick auf Paläoküstenlinien.

Was die Forscherinnen und Forscher nach ihrer Analyse außerdem beunruhigt, ist der Umstand, dass die zeitliche Häufung von Erdbeben nicht auf flache und kleinere Beben beschränkt ist, sondern auch bei den schweren Subduktionsbeben auftritt.

Die Studie stellt nach Ansicht der Forscher ein schlüssiges Konzept vor, bei dem Spannung im Gestein durch Serien schwerer Erdbeben entlang von Störungen in der oberen Platte abgebaut wird und nicht in der Tiefe, wo sich eine unter die andere Erdplatte schiebt. Onno Oncken vom GFZ sagt dazu: „Das Ergebnis der Studie ist deshalb interessant, weil es der herkömmlichen Ansicht widerspricht, wonach die großen Subduktionsbeben ihren Ursprung alle an den Plattengrenzen tief unter der Oberfläche haben. Wir hoffen, dass Kolleginnen und Kollegen weltweit jetzt nach Störungen in den oberen Platten an Subduktionszonen suchen. Zugleich erklärt unsere Studie die Unterschiede in der zeitlichen Abfolge schwerer Beben an den Subduktionszonen weltweit.“

Mouslopoulou, V., Oncken, O., Hainzl, S., Nicol, A., 2016. Uplift rate transients at subduction margins due to earthquake clustering. Tectonics, doi:10.1002/2016TC004248

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Josef Zens
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