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Wie ist der Krieg in der Ukraine zu stoppen? Forschende der Universität Potsdam ordnen das Kriegsgeschehen und die Folgen ein
Ob Historiker, Verhandlungsexpertin, Völkerrechtler, Politikwissenschaftlerin oder Slawist – seit Beginn des Krieges in der Ukraine analysieren Expertinnen und Experten der Universität Potsdam die Entwicklungen. Forschende der verschiedenen Fächer zeigen Perspektiven auf, diskutieren Zusammenhänge und bieten Erklärungen an, wie der Krieg und seine Folgen zu bewerten sind. „Die aktuellen Entwicklungen stehen in jahrhundertelanger Tradition“, erläutert der Slawist Prof. Dr. Alexander Wöll. Den Verlust der Unabhängigkeit hätten bereits Generationen von Ukrainerinnen und Ukrainern erfahren, so der Professor für Kultur und Literatur Mittel- und Osteuropas. Wöll hat zahlreiche wissenschaftliche Kontakte in die Ukraine. Nach Beginn des Krieges hat er eine geflüchtete Literaturwissenschaftlerin und eine Lyrikerin bei sich aufgenommen.
Seine Expertise als Osteuropa-Experte bringt der Slawist Wöll auch in die breite öffentliche Debatte ein. So erläutert der Professor unter anderem die ukrainisch-russischen Beziehungen, die gegensätzliche Kriegsberichterstattung beider Länder und informiert darüber, welche Hilfen Menschen auf der Flucht jetzt am dringendsten benötigen.
Ob und wie eine Beendigung des Krieges auf diplomatischem Wege möglich ist, diskutiert Prof. Dr. Uta Herbst. Die Verhandlungsforscherin an der Universität Potsdam betont, „eine Friedenslösung scheint bisher an dem fehlenden Einigungswillen von Putin zu scheitern.“ Die Professorin bewertet den russischen Staatschef als „Ultra-Napoleon“ am Verhandlungstisch, seine Absichten und Ziele seien weder rational noch nachvollziehbar. Doch Herbst fordert auch, die Positionen der Ukraine kritisch zu hinterfragen, und betont den Wert der Verhandlungen hinter verschlossenen Türen.
Der Verwaltungswissenschaftler Jochen Franzke forscht seit vielen Jahren zu den Beziehungen Deutschlands zu Osteuropa und Russland. Er erklärt, warum das deutsch-russische Verhältnis zwar ein besonderes, zugleich aber auch ein Irrtum war. Außerdem wirft er einen Blick darauf, wie die russische Bevölkerung zum Kurs ihres Staatschefs steht – und betont, „dass nur aus Russland heraus diesem Alptraum eines Krieges im 21. Jahrhundert wirklich ein Ende gemacht werden machen kann. Niemand kann dem russischen Volk diese für das eigene Überleben notwendige Mission abnehmen.“ Nicht zuletzt stellt er die Frage, was die Wissenschaftscommunity in Europa tun kann.
Putin gehe es um die Revision der geopolitischen Entwicklungen der letzten 30 Jahre, erklärt der Historiker Dr. Bastian Matteo Scianna, der zur deutschen und europäischen Außen- und Sicherheitspolitik sowie zu internationalen Konflikten forscht. Der russische Präsident versuche, Demokratie und westlichen Einfluss von Russland fernzuhalten: Anstelle einer demokratisch regierten Ukraine hätte er lieber „stabile Diktaturen“ wie in Belarus um sich herum. Dem Historiker zufolge hat Putin den Zeitpunkt für seinen Angriff wohl durchdacht, da er den Westen gerade jetzt als besonders schwach betrachtet. Er hoffe, dass Kiew das Schicksal einer langen Belagerung und Zerstörung erspart bleibe, doch: „Dass Putin so etwas skrupellos durchsetzt, hat er in Syrien schon verdeutlicht.“
Laut Dr. Anna Fruhstorfer hat Putin eine Art Hegemonialanspruch gegenüber dem gesamten postsowjetischen Raum. Die Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Vergleichende Politikwissenschaft ist Expertin für die politischen Systeme Osteuropas. Fruhstorfer zufolge verkenne Putin nicht nur die historische Unabhängigkeitsbewegung in der Ukraine, sondern auch das grundsätzliche Selbstbestimmungsrecht aller Völker. Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko sei unter anderem wegen der Sanktionen des Westens auf russische Hilfe angewiesen, habe an einer dauerhaften russischen Militärpräsenz in seinem Land aber sicher kein Interesse.
Welche völkerrechtlichen Verstöße Russland als Aggressor des Ukrainekriegs begeht, erörtert Jurist Prof. Dr. Andreas Zimmermann. Für das ehemalige Mitglied des UN-Menschenrechtsausschusses ist die Begründung, mit der Präsident Putin den Einmarsch seiner Truppen rechtfertigt, haltlos. Der Potsdamer Völkerrechtler zeigt auf, welche rechtlichen Institutionen dafür sorgen könnten, den russischen Machthaber zu verurteilen, auch wenn Ermittlungen aufgrund der aktuellen Lage schwierig seien.
Weitere Interviews werden folgen und auf dieser Seite veröffentlicht: https://www.uni-potsdam.de/de/presse/aktuelles/krieg-in-der-ukraine/beitraege-zum-krieg-in-der-ukraine
Kontakt:
Dr. Silke Engel, Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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E-Mail: presse@uni-potsdam.de
Medieninformation 25-03-2022 / Nr.29